Geschichte des SPD-Ortsvereins Finthen


Die Anfänge im 19. Jahrhundert
1900 bis 1933
Das vorläufige Ende
Neubeginn nach 1945
Einige Stationen aus der Neuzeit
1973: Die Wasserwerkswiesen – ein Projekt der praktischen Juso-Arbeit
1980/85: Bürger planen Finther Verkehr
2001: Anbindung der Römerquelle
– 2005: Spielleitplanung

– Ab 1974: Finther Gespräche, -Spargelessen, -Briefe
– 1989 bis 1994: Ortsvorsteher Kurt Merkator

 

 

Die Anfänge im 19. Jahrhundert

Wie und wann genau die Geschichte der Sozialdemokraten in Finthen anfing, konnte leider nicht mehr ermittelt werden. Aufgrund der ausgewerteten Unterlagen sind wir sicher, dass es spätestens 1890 einen sozialdemokratischen Ortsverein gegeben hat. Dafür sprechen folgende Fundstellen:

Bereits in Zeitungsberichten von 1877 finden sich Hinweise darauf, dass es in Finthen zumindest Wähler und Sympathisanten der Arbeiterbewegung gab. So meldet der „Mainzer Anzeiger“ am 12. Januar 1877, bei der Reichstagswahl am 10. Januar habe der sozialistische Kandidat Most in Finthen 37 Stimmen erhalten. Am 4. Mai desselben Jahres nennt die sozialistische Zeitung „Mainzer Volksstimme“ Lokale in Mainz und Umgebung, in denen diese Zeitung zum Lesen ausgelegt wurde. Dazu gehörte auch die Gastwirtschaft Philipp Veit in der Finther Kirchgasse.

1889 war die Arbeiterpartei im Gemeinderat Finthen vertreten. Das geht aus den beiden folgenden Berichten des „Mainzer Anzeiger“ hervor:

Finthen, 27. Nov.: Morgen findet, da die neunjährige Amtsdauer des seitherigen Herrn Adjunkten Johann Wald zu Ende ist, die Wahl eines neuen Adjunkten statt, mit welcher zugleich die Gemeinderaths-Ersatzwahl verbunden ist. Die erste wird Morgens von 8 bis 12 Uhr und die letztere Nachmittags von 2 bis 6 Uhr vorgenommen. Aus dem Gemeinderath haben auszuscheiden die Herren Jakob Müller – Postagent, Philipp Schmitt – Landwirth und Philipp Kohl – Landwirth. Außerdem ist für Herrn Johann Hessemer welcher wegen zu hohem Alters sein Mandat niedegelegt hat, ein Mitglied zu wählen, es sind demnach drei Gemeinderäthe auf 9 Jahre und einer auf 3 Jahre zu wählen. An der Adjunktenwahl wird sich, wie wir hören, die Arbeiterpartei nicht beteiligen, indem die Zeit, in welcher dieselbe stattfindet für die Arbeiter nicht günstig ist. Von größerem Interesse ist daher die Gemeinderaths Ersatzwahl, bei welcher die Arbeiterpartei, sowie die ultramontane Partei eigene Kandidaten aufgestellt haben. Es dürfte vereinzelt dastehen, daß zwei Wahlen an einem Tage stattfinden.Finthen, 29. Nov.: Bei der gestern Morgen stattgefundenen Adjunktenwahl wurde Herr Johann Schmitt VI. mit 150 Stimmen gewählt. Der seitherige Adjunkt Johann Wald hatte auf eine Wiederwahl zu Gunsten seines Sohnes Peter Anton Wald verzichtet, derselbe erhielt aber nur 48 Stimmen. Bei- der gestern Nachmittag stattgehabten Gemeinderaths-Ersatzwahl siegte der Zettel der Arbeiterpartei. Es wurden gewählt die Herren Adam Schultheis – Landwirth, mit“ 218, Peter Bienefeld – Wirth, mit 208, Adam Kohl – Landwirth, mit 141 und Johann Steinbrech – Fabrikarbeiter mit 113 Stimmen. Von der Gegenpartei erhielten die Herren Peter Joseph Hanselmann 107 und Philipp Schmitt VI., 81 Stimmen.

Auszüge aus dem Buch von Hugo Brandt, „Die Geschichte der SPD in Rheinhessen“:

Das Ende des Sozialistengesetzes wurde vielfältig gefeiert. Die Mainzer Sozialdemokraten trafen sich im „Weißen Rößchen“ zum übermütigen Familienfest.„Unter ungeheurem Jubel erfolgte die Enthüllung der seit 12 Jahren in sicherem Versteck gehaltenen Fahne der hiesigen Sozialistischen Partei, die in ihrem vermoderten und zerfetzten Zustande kaum mehr bei Festlichkeiten und Aufzügen benutzt werden kann. Herr Jöst schilderte, wie die Fahne viermal ihr Versteck wechseln musste und dann seit Jahren in seinem Haus vergraben gewesen wäre“, berichtete der „Mainzer Anzeiger“ am 5.Oktober 1890.

Auch in Rheinhessen standen die Sozialdemokraten bei Ende des Sozialistengesetzes gefestigter da als vorher. In Mainz waren sie zur stärksten Partei geworden und konnten aufgrund ihrer Stärke in der Stadt und im engsten Umfeld, d.h. im wesentlichen den jetzigen Mainzer Vororten, sogar den Reichstagswahlkreis Mainz-Oppenheim gewinnen. Mainz stellte die beiden einzigen sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten aus Rheinhessen, und überdies war es der Partei gelungen, den ersten Sozialdemokraten in die Stadtverordnetenversammlung zu bringen. Sozialdemokratische Vereine gab es nicht nur in Mainz, sondern auch in Kastel, Kostheim, Weisenau, Hechtsheim, Bretzenheim, Gonsenheim, Finthen und Mombach.

Für die Jahre 1889 und 1890 ist also die Existenz der Arbeiterpartei bzw. eines sozialdemokratischen Vereins in Finthen belegt. Da die Quellen vermuten lassen, dass die Arbeiterbewegung bereits vorher in Finthen aktiv war, ein genaues Datum aber nicht auszumachen ist, nimmt der jetzige SPD-Ortsverein Mainz-Finthen die runde Jahreszahl 1890 für den Beginn seines Bestehens an.

Zeitungsberichte geben einige Hinweise über die weitere Entwicklung des sozialdemokratischen Ortsvereins:

„Mainzer-Volkszeitung“ vom 6.Mai 1891:

Finthen, 5.Mai : In dem hübsch dekorirten Saal des Herrn M. Greffinger hielt die Arbeiterschaft von Finthen ihre Maifeier. Referent war Herr Weikers aus Mainz. Daß die Finther Arbeiter ihrer Aufgabe voll und ganz bewußt sind, dies bezeugte der enthusiastische Beifall zur Festrede und die einstimmige Annahme der bekannten Resolution. Die Kapelle und der Männer Gesangverein halfen durch ihre trefflichen Vorträge das Fest zu verschönern und wird dasselbe Allen in bester Erinnerung bleiben.„Mainzer Volkszeitung“ vom 9. September 1891

Finthen, 07. Sept.: Sonntag-Nachmittag fand dahier im Lokale von Herrn Burkard eine öffentliche Arbeiterversammlung statt und referirte Herr Miedreich aus Mainz über das neue Programm der sozialdemokratischen Partei und im Anschluß daran über die Arbeiterpresse. Seine Ausführungen wurden oft mit Beifallsbekundungen belohnt. Herr Steinbrech welcher den Vorsitz führte, forderte alle Arbeiter auf, sowohl in den Wahlverein einzutreten als auch auf die „Mainzer Volkszeitung“ zu abonniren; ebenso sollen die Arbeiter auch jene Wirthe und Geschäftsleute unterstützen, bei denen das Blatt ausliegt und gelesen wird. Auch wird durch die anwesenden konstatirt, daß ein Wirth, der doch nur von den Arbeitergroschen lebt, sich weigert die „Volkszeitung“ zu halten. Mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie schloß der Vorsitzende die gut besuchte Versammlung.„Mainzer Volkszeitung“ vom 17.November 1891

Finthen, 16. November: (Volksversammlung) Gestern Nachmittag fand im Lokale des Herrn Burkard eine gut besuchte Versammlung statt. Genosse Jöst aus Mainz referirte in längerem Vortrag über den Erfurter Parteitag und seine Beschlüsse. Nachdem noch die Genossen Konrad und Grafweg über den Parteitag und die Bedeutung der Arbeiterpresse gesprochen, ergriff Genosse Emil Fleischmann aus Frankfurt das Wort, um noch über die Agitation für die Presse, den Genossen schätzbare Winke zu geben. Nachdem Genosse Fleischmann seine Ausführungen. beendet, brachte derselbe nachstehende Resolution in Vorschlag:„Die heute im Lokale des Herrn Burkard in Finthen tagende öffentliche Parteiversammlung erklärt sich mit den Beschlüssen des Erfurter Parteitages voll und ganz einverstanden und spricht ferner ihr vollständiges Einverständnis mit dem Verhalten ihrer Delegirten Jöst und Konrad aus, welche das Parteiinteresse voll und ganz gewahrt haben. Die heutige Versammlung verpflichtet sich deshalb mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln danach hinzustreben, die Ideen der Sozialdemokraten zu verwirklichen. Sie betrachtet in erster Linie die Verbreitung der sozialdemokratischen ‚Mainzer Volkszeitung‘ als dringend geboten, weil die Presse eines der besten Agitationsmittel ist.“ Die Besolution wurde einstimmig angenommen.

„Mainzer Volkszeitung“ vom 30.April 1892

Finthen, 29.April. Die hiesigen Sozialdemokraten veranstalten Sonntag den 1.Mai im Burkard’schen Lokal eine große Maifeier. Außer einer starken Musikkapelle wirkt ein Gesangverein mit. Die Festrede hält Fräulein Wabnitz aus Berlin.Inserat in der „Mainzer Volkszeitung“ April 1892

Sozialdemokratische Partei Finthen – Sonntag, 1.Mai, Nachmittags 4 UhrGroße Maifeier

im Lokal des Herrn Martin Burkard unter Mitwirkung eines Gesangvereines unter Leitung des Herrn Nikolaus Freytag und einer starken Musikkapelle. Die Festrede über die Bedeutung des 1.Mai und die Achtstundenbewegung hält Fräulein Wabnitz aus Berlin. Die Zwischenpausen werden durch lebende Bilder ausgefüllt. Entree für Mitglieder 20 Pfg, Nichtmitglieder 30 Pfg.

Zahlreichen Besuch erwartet Der Vorstand

„Mainzer Volkszeitung“ vom 26.10.1892.

Finthen, 24. Okt.: Am Sonntag Abend fand im Lokale des Herrn Burkard eine gutbesuchte Arbeiterversammlung statt, in welcher beschlossen wurde, bei der am Mittwoch stattfindenden Gemeinderathswahl energisch sich zu beteiligen. Thun die Arbeiter alle ihre Schuldigkeit, bleibt keiner fern, so wird der Sieg sich an ihre Fahne heften.„Mainzer Volkszeitung“ vom 29.10.1892.

Finthen, 27. Okt.: Bei der gestrigen Gemeinderathswahl wurden die drei Kandidaten der Ultramontanen mit 161 bezw. 175 und 183 Stimmen gewählt. Die Kandidaten der Sozialdemokraten erhielten 120, die der Nationalliberalen nur 20 Stimmen.„Mainzer Volkszeitung“ vom 20.11.1892.

Finthen, 19.Nov.: Die sozialdemokratische Partei hält am Sonntag Nachmittag 2½ Uhr im Lokale des Herrn Burkard eine öffentlche Versammlung mit folgender Tagesordnung: Besprechung über die Landagitation, Reduzierung des Beitrages und Gründung eines Sparvereins. Gäste sind willkommen.Inserat in der „Mainzer Volkszeitung“ vom 19. Nov. 1892

Sozialdemokratische Partei FinthenSonntag Nachmittag 2½ Uhr

Große Oeffentliche Versammlung

bei Herrn Burkard Kirchstraße

Tages Ordnung: 1.Besprechung über die Landes Agitation. 2.Reduzirung des monatlichen Beitrages von 20 auf 10 Pfg. 3.Gründung eines Sparvereins zur Beschaffung billiger Lebensmittel und Brennmaterialien.

Arbeiter erscheint zahlreich. Die Einberufer.

„Mainzer Volkszeitung“ vom 20. Dez. 1892

In der Generalversammlung des neugegründeten Arbeitersparvereins kamen die Resultate der vom Vorstande unternommenen Schritte zur Kenntnis der Mitglieder. Nachdem sich fünf hiesige Bäckermeister geweigert hatten, auf eine Verständigung einzugehen, ist mit dem Bäckermeister Herrn Becker eine Vereinbarung getroffen worden. Derselbe liefert das Brot stets 1 Pfennig unter dem jeweiligen Ortspreis, gibt einen Nachlass von 9 Pfennig auf für 1 Mark gelieferte Brötchen und liefert das Mehl 2 Pfg. per Pfund billiger als üblich. Der Verkauf des Brotes geschieht vermittelst Marken, welche Sonntags von den Mitgliedern an der Kasse gelöst werden. Der Bäckermeister trägt somit gar kein Risiko und tritt der Vertrag am 1.Januar kommenden Jahres in Kraft.„Mainzer Volkszeitung“ vom 23. September 1895

Bretzenheim, 23.Sept.: Die gestern bei unserem Genossen Gehret stattgefundene Versammlung des Wahlvereins behufs Berichterstattung von der Landeskonferenz, Wahl eines Delegirten nach Breslau und Stellungnahme zur hiesigen Gemeinderathswahl, war wie gewöhnlich nicht nach Wunsch gefüllt. Wir legen unseren Genossen doch dringend ans Herz, bei solchen, Angelegenheiten doch Mann für Mann am Platz zu sein. Als Delegirter zum Parteitag wurde Genosse Reichert – Finthen einstimmig gewählt.„Mainzer-Volkszeitung“ vom 25. September 1895

Finthen, 24. Sept.: Die am Sonntag bei Leonhard Binnefeld stattgefundene Versammlung war gut besucht. Zum Delegirten wurde einstimmig Genosse Peter Reichert gewählt. Zum Punkte der Gemeinderathswahl wurde beschlossen dem Vorstand im Vereine mit der Wahlkommission die näheren Schritte zu überlassen. Für die Verbreitung der Parteipresse haben sich einige Genossen gemeldet und wäre zu wünschen, daß die „Volkszeitung“ mehr verbreitet und immer mehr Abonnenten gewinnen würde.Im November 1892 ging es um die Gründung eines Sparvereins. Offensichtlich beschloss der Wahlverein, selber Sparverein zu sein, denn von nun an lesen wir von dem Arbeiterwahl und -sparverein Finthen. Der konnte schon wenige Monate später Erfolg melden: Die Bäcker reduzierten den Brotpreis um 6 Pfennig. Der Verein beschloss aber doch, seinen Mitgliedern zu empfehlen, ihren Bedarf bei dem Bäckermeister zu decken, der sich von vorn herein mit dem Verein verständigt hatte. Und nun gründete dieser sehr rege Verein eine neue Einrichtung, eine Sterbekasse, in die bei jedem Sterbefall pro Mitglied 50 Pfennig Beitrag gezahlt werden sollten.

Bei der Märzfeier im Jahre 1893 referierte P. J. Reichert, der Vertrauensmann des Vereins, der über viele Jahre die herausragende Persönlichkeit des Finther Vereins war. Er nahm dabei auch Stellung zu dem katholischen Männerverein und meinte, für den Arbeiter käme nur die Sozialdemokratische Partei in Betracht. Das forderte den Widerspruch des auch anwesenden Lehrers Metzger heraus, und die Debatte zog sich darauf sehr lange hin. Der Bericht über diesen Vorgang,(„Mainzer Volkszeitung“ 22. 3. 93) endet mit der lakonischen Feststellung: „Ruhm haben sich die Schwarzen mit ihrem Schulmeister Agitator nicht geerntet.“ Diese Auseinandersetzung bekam wenig späte eine groteske Fortsetzung. Als die Finther Sozialdemokraten ihre Mai-Feier im Gasthaus „Zum Stern“ halten wollten, entzog die Wirtin ihnen kurz vorher die bereits erteilte Zusage. Hier tagte nämlich auch der katholische Männerverein, und die Wirtin argumentierte, wenn die Maifeier in dem Lokal abgehalten würde, dann sei es entweiht und man könne keinem geistlichen Herrn mehr zumuten, in dem Haus zu sprechen. („Mainzer Volkszeitung“ vom 22. April 1893) Überhaupt bekam der Verein Probleme mit den Lokalen. Im Januar 1894 tagte er im Lokal des Herrn Knab, im März im Lokal der Witwe Greffing.

Im Januar 1895 gründete sich im Wahlverein ein Gesangsquartett, das unverzüglich mit Proben begann.

Im Oktober 1895, die Gemeinderatswahlen standen bevor, beschloss die Arbeiterpartei, selbstständig vorzugehen, und nominierte als Kandidaten Jakob Kimpling, Johann Steinbrech und Johann Friedrich Datz. Reichert wurde bei dieser Gelegenheit wieder zum Vertrauensmann gewählt. Bei Thomas Pfeifer hielten die Sozialdemokraten Finthens eine große Volksversammlung ab. Thema: „Die Landwirtschaft und die Sozialdemokratie“. Referent Dr. Eduard David.

„Mainzer Volkszeitung“ vom 27.Oktober 1896

Bebel geht nach Hechtsheim und Weisenau, Liebknecht nach Essenheim und Mombach, Ignaz Auer ist in Gonsenheim, Finthen und Kostheim; Forster in Nieder Olm, Zornheim und Laubenheim; David ist überall, sogar in Sörgenloch.Im April 1896 tagte die Delegiertenversammlung des 9. hessischen Landtagswahlkreises in Mombach. Man wollte doch endlich auch einen Landtagswahlkreis außerhalb der Stadt Mainz gewinnen und dafür schien dieser

Wahlkreis besonders geeignet. Deshalb wählte man eine Wahlkommission, die die Wahlagitation intensivieren sollte. Peter Reichert und Peter Ries aus Finthen gehörten ihr an.

„Mainzer Volkszeitung“ vom 27.Oktober 1898

Finthen 26. Okt.: Nach dem offiziellen Ergebnis der letzten Gemeinderathswahl wurden für unsere Kandidaten folgende Stimmen abgegeben: Johann Steinbrech 126; Peter Jos. Reichert 125; und Thomas Pfeifer 121.

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 1900 bis 1933

„Mainzer Volkszeitung“ vom 7. April 1900

Finthen 7. April: Morgen findet im Lokale von P. Lehr eine Volks-Versammlung, in welcher Landtagsabgeordneter Dr. David über die im Vordergrund des allgemeinen Interesses stehende Flottenvorlage sprechen wird, statt. Mögen die Arbeiter Finthens sich recht zahlreich zu dieser Versammlung einfinden.„Mainzer Volkszeitung“ vom 10.April 1900

Finthen: Am Sonntag Nachmittag referirte hier Herr Landtagsabgeordneter Dr. David über die Flottenvorlage. Nach seinen vorzüglichen eingehenden Ausführungen gelangte folgende Resolution zur Annahme: „Die heutige Volksversammlung erklärt sich mit den Ausführungen des Referenten gegen die Flottenvorlage einverstanden und verspricht mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln gegen diese Vorlage zu agitiren, da dieselbe nur den Interessen der herrschenden Kreise dient, dem arbeitenden Volk aber, das für die Kosten aufkommen soll, schwere Nachteile in Aussicht stellt. Sie erwartet, daß die Vertreter unserer Partei im Reichstag auch weiterhin ganz energisch gegen die Flottenvorlage auftreten.“Hierauf ersuchte Genosse Peter Reichert noch die Anwesenden, sich auf die „Mainzer Volkszeitung“ zu abonniren und neue Abonnenten für sie zu gewinnen, denn wenn sie jetzt die wirksamste Waffe im Kampfe gegen die Flottenvorlage sei, so wäre sie überhaupt das einzige Blatt, das stets rückhaltlos die Interessen der arbeitenden Bevölkerung vertrete. Das werde aber von den Arbeitern nicht richtig gewürdigt, in Finthen könnte der Abonnentenstand ein viel größerer sein. Mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie wurde sodann die gut besuchte Versammlung geschlossen.

„Mainzer Volkszeitung“ vom 4.Mai 1900

Aufruf zur Mai-FeierSozialdemokratische Partei Finthen

Sonntag, den 6. Mai 1900, Abends 6 Uhr

im Lokale von Johann Binnefeld

Mai-Feier

bestehend in Gesangsvorträgen lebenden Bildern, Concert und Ball. Festrede gehalten von Gen. Georg Eisner – Mainz. Eintritt für Mitglieder 20 Pfg. für Nichtmitglieder 30 Pfg. An alle Arbeiter richten wir das Ersuchen, sich mit ihren Angehörigen zahlreich einfinden zu wollen.

Der Vorstand.

 

Bei Beginn des 1. Weltkriegs war die SPD die größte und bestorganisierte deutsche Partei. So steht es im Brockhaus-Lexikon. 1917 spaltete sich aber eine Minderheit als „Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ (USPD) ab. Auch im Finther Gemeinderat waren zeitweilig SPD und USPD vertreten. 1922 vereinigten sich beide Parteien wieder. Sowohl Spaltung als auch Wiedervereinigung verliefen nicht ohne Konfusionen, wie dieser Brief erahnen lässt:

 

SPD-Mitglieder des Gemeinderats Finthen in der Weimarer Republik

Name Vorname Gewählt oder nachgerückt
Datz Jakob 1929
Geiß Wilhelm 1919, 1922, 1925, 1929
Geyer Franz Xaver 1919, 1922, 1925
Heeb Ludwig 1925, 1929
Naumann (USPD) Ernst Otto 1919
Reichert Joh. Baptist 1929
Reichert Peter Joseph 1919, 1922, 1925
Ries Peter Joseph 1919
Veit Karl Anton 1925
Veit Karl Johann 1922, 1925
Weiß (USPD) August 1919
Weiter Phil. Jakob 1922
Wendt Dietrich 1919
Wocker Phil. 1929

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Das vorläufige Ende

Nachdem die SPD-Fraktion im Reichstag 1933 Hitlers Ermächtigungsgesetz geschlossen abgelehnt hatte, wurde die Partei mit Verordnung vom 7. Juli 1933 aus allen Parlamenten ausgeschlossen. Die führenden Köpfe mussten ins Ausland emigrieren, um der Verfolgung und Verhaftung zu entgehen. In Deutschland konnten sich während der nationalsozialistischen Herrschaft nur kleine geheime Zirkel der SPD im Rahmen der Widerstandsbewegung halten. Auch Finther Sozialdemokraten wurden verfolgt. In Schreiben der NSDAP Finthen an die Kreisleitung in Mainz wurden 1933 neben einer Reihe von KPD-Mitgliedern die Sozialdemokraten Franz J. Baptistella, Budenheimer Str. 21, Ludwig Steinbrech, Prunkgasse 15, Georg Silz, Ludwigstr., Philipp Wocker, Neugasse 10, Julius Schell, Feldbergstr. 8, Ludwig Eies, A.-Hitler-Str. 78, Philipp Steinbrech, Feldbergstr., und Johann Burkhard, Adlergasse, zur Verhaftung ausgeschrieben. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter forderte, diese Partei-Funktionäre in Schutzhaft zu nehmen.

Im November 1929 hatten die Finther Bürgerinnen und Bürger fünf SPD-Kandidaten in den Gemeinderat gewählt. Als nach der Verordnung über die Neubildung der gemeindlichen Selbstverwaltungskörper vom 6. April 1933 wieder gewählt war, saßen nur noch Vertreter der NSDAP und des Zentrums im Gemeinderat. Aber schon vorher war die Atmosphäre für die nicht der NSDAP angehörenden Gemeinderatsmitglieder nicht gerade angenehm. Das Protokoll vom 31. März 1933 berichtet: „Nach Ablehnung des Antrags Müller auf schriftliche Abstimmung mit 9 : 4, wird dem Antrag der NSDAP betr. Umbenennung der Bahnhofstraße in Adolf-Hitler-Straße mit 9 : 2 bei 2 Stimmenthaltungen stattgegeben.“

Unter der Herrschaft der Nazis hatte sich nicht nur die Sitzverteilung geändert, wie der nachstehende Protokollauszug zeigt:

 

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Neubeginn nach 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg normalisierten sich die politischen Verhältnisse allmählich wieder. Finthen hatte zunächst sogar einen Bürgermeister, der der KPD angehörte.

Im Wahlaufruf von Regierungspräsident Jakob Steffan vom 7.September 1946 zur ersten Gemeinderatswahl nach dem Krieg heißt es:

„Glück und Wohlfahrt für alle!Als die französische Militärregierung beschlossen hatte, auch in der von ihr besetzten Zone Wahlen auszuschreiben, hat sie damit zweifellos richtig gehandelt. Der Bevölkerung sollte damit die Möglichkeit gegeben werden, in freier Wahl ihren politischen Willen kundzutun. Das Ergebnis der ersten Wahlen, der Gemeinderatswahlen, wird die Grundlage der parlamentarischen Vertretung der kleinsten Zelle, nämlich der Gemeinde liefern. An Stelle der seitherigen Gemeinderatskommissionen, die Kraft höherer Anordnungen bestellt wurden und lediglich beratenden Charakter hatten, tritt nunmehr der in freier Wahl ermittelte Gemeinderat, der durch sein Wirken die kommunalpolitische Arbeit wesentlich entscheidet oder beeinflußt. Hat somit die Militärregierung, als sie diese Wahl anordnete, durchaus richtig gehandelt, ist es nunmehr Sache der Wählerschaft, zu beweisen, daß auch sie richtig zu handeln versteht.“Aus der ersten Gemeinderatswahl am 15. September 1946 ging die CDU mit 1362 Stimmen als Siegerin hervor. Die SPD erhielt 527, die KPD 518 Stimmen.

SPD-Mitglieder des Gemeinderats Finthen nach 1945

Name Vorname Gewählt oder nachgerückt
Beaury Ernst 1968
Beck Paul 1956, 1964, 1968
Becker Franz 1956, 1968
Beitz Franz Josef 1952
Beitz Josef 1950
Biller Fritz 1956
Braun Johann 1946, 1948
Elsner Friedrich 1956
Elsner Friedrich Karl 1952
Hassmann Karl Hans 1964, 1968
Heeb Ludwig Franz 1946, 1948, 1952, 1956, 1960
Heinrich Karl 1960, 1964, 1968
Herbst Bodo 1960, 1964, 1968
Hermann Karl 1953
Klein Karl Ludwig 1960, 1964
Kloos Willi 1960, 1964, 1968
Kuhn Helmut 1960
Lehmann Wolfgang 1960 (?), 1964
Nack Richard 1952, 1956
Neubauer Ernst 1960
Pfeuffer Otto 1948
Röder Heinrich 1956, 1964,1968
Röder Heinz 1960
Scherf Karl 1957
Scherf Martin Thomas Josef 1946, 1948, 1952
Schnell Georg 1956, 1960
Silz Georg Martin Heinrich 1948, 1952, 1956
Silz Philipp Jakob 1948, 1952
Silz Reinhold 1960
Wenz Ad. Frz. 1952
Wies Willi 1964, 1968

 

1969 wurde der Gemeinderat zum Ortsbeirat; Finthen wurde nach Mainz eingemeindet. Bevor die selbstständige Gemeinde sich zum Vorort der Landeshauptstadt wandelte, galt es einen umfangreichen Auseinandersetzungsvertrag auszuhandeln. Als Vertreter Finthens konnte Bürgermeister Reinhold Silz (SPD) einen Vertrag unterschreiben, der die Stadt stark in die Pflicht nahm.

Der Vertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:

Mit dem Tage der Eingliederung tritt die Stadt kraft Gesetz in die Rechte der Gemeinde ein und übernimmt zugleich alle Ihre Pflichten.Die Stadt verpflichtet sich, folgende Planungen der Gemeinde zu verwirklichen:

a) Errichtung eines Feuerwehrgerätehauses;

b Ausbau des Wirtschaftsweges „Schleifweg“;.

c) Ausbau des Aubaches.

Die Stadt wird sich bemühen, … folgende Vorhaben zu verwirklichen unter der Voraussetzung, daß deren Bezuschussungsfähigkeit durch das Land anerkannt werden:

a) Errichtung einer Sporthalle auf dem Gelände der Schule in der Schillerstraße bis Ende 1972;

b) Erweiterung der Schule in der Schillerstraße, sofern sich dies nach den Planungen des Schulplanungsbeirates der Stadt als notwendig herausstellen sollte.

Die Stadt sagt eine Erweiterung der Friedhofskapelle zu für den Fall, daß sich diese nach einer im Benehmen mit dem Ortsbeirat durchzuführenden näheren Prüfung der Friedhofssituation als erforderlich herausstellen sollte.

Die Planung der Gemeinde über die Errichtung eines Sport- und Kulturzentrums wird von der Stadt weiter verfolgt. Dabei ist jedoch die Stadt an die derzeitigen Standortüberlegungen der Gemeinde nicht gebunden.

Die Stadt gewährleistet einen ausreichenden Feldschutz.

Das Vereinsleben der Gemeinde wird von der Stadt nach besten Kräften gefördert. Die Stadt wird die Vereine der Gemeinde nach den gleichen Grundsätzen wie die Vereine des jetzigen Stadtgebietes unterstützen, wobei der bisherige Umfang der Unterstützung durch die Gemeinde in jedem Falle gewährleistet wird.

Die Stadt wird stets für eine ausreichende und planmäßige Bedienung der Gemeinde mit öffentlichen Verkehrsmitteln – mindestens in gleichem Umfange wie seither – sorgen. Sie wird darauf achten, daß neue Baugebiete rechtzeitig und ausreichend verkehrsmäßig betreut werden.

Wie weit diese Passagen heute noch gelten und ob sie hinreichend eingelöst wurden, darüber gibt es teilweise heute noch unterschiedliche Meinungen in Ortsbeirat und Stadtverwaltung.

 

SPD-Mitglieder des Ortsbeirats Mainz-Finthen (nach der Eingemeindung)

Name Vorname Gewählt oder nachgerückt
Bleicher Marc-Antonin 2009, 2014
de Vries Stefanie 2014
Fischer Maria 1984, 1989
Fischer Wolfgang 1974, 1979, 1984
Häfner Astrid 2012, 2014
Hammer Klaus 1974, 1979
Hassmann Hans 1969
Haupt Johannes 1969
Heinrich Karl 1969
Hook Felicitas 2004
Jost Werner 1974, 1979, 1984, 1989
Kallweit Gerd 1979, 1984, 1989, 1994, 1999
Kohl Kerstin 1999
Lindner Ali 1993
Mahle Manfred 2004, 2009, 2014
Merkator Kurt 1989, 1994
Merkator Rita 1994, 1999
Reibel-Beutel Margot 1989, 1996
Rude Werner 1969, 1974
Schmitt Florentine 1969, 1974
Schmitt Ludwig 1974
Thumser Christa 1979
Trenner Heinz-Dieter 1976, 1979, 1984, 1989, 1994, 1999
Wies Willi 1969

 

Finther Sozialdemokraten im Mainzer Stadtrat:

Karl Heinrich, Werner Rude, Karl Scherf, Klaus Hammer, Dr. Inwer Ebsen, Brigitte Blum-Kipphan, Kurt Merkator, Marc-Antonin Bleicher

 

Vorsitzende des SPD-Ortsvereins nach 1945

Name Vorname Zeit
Heeb Ludwig 1947 –
Röder Heinz – 1961
Silz Reinhold 1961 – 1972
Wies Werner 1973 – 1974
Hammer Klaus 1974 – 1979
Fischer Wolfgang 1979 – 1982
Hammer Klaus 1982 – 1985
Trenner Heinz Dieter 1985 – 1987
Merkator Kurt 1987 – 1991
Trenner Heinz-Dieter 1991 – 1997
Kallweit Gerd 1997 – 2003
Mahle Manfred  2003 – 2007
Bleicher Marc-Antonin 2007 – 2017
de Vries Stefanie 2017 –

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Einige Stationen aus der Neuzeit

 

1973: Die Wasserwerkswiesen – ein Projekt der praktischen Juso-Arbeit

Nach einer Diskussion auf der Jahreshauptversammlung des SPD-Ortsvereins im März 1972 wurde Klaus Hammer gebeten, sich um den Aufbau einer örtlichen Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten zu bemühen. Es war anfangs sehr schwierig, regelmäßige Treffen zu politischen Sachfragen mit Jugendlichen zu organisieren. Anfang 1973 wurde die Juso-AG Finthen dann im „Jungenfeldschen Garten“  mit regelmäßigen Gesprächsrunden aktiv. Neben dem Erarbeiten eines Konzeptes für das Bürgerhaus wurde die Idee der Schaffung eines großen Kinderspielplatzes entwickelt. Der Ort – die Wasserwerkswiesen zwischen Thüringer Straße, Gonsenheimer Straße und der Straßenbahnlinie – wurde schnell gefunden. Zunächst galt es einige Widerstände in der unmittelbaren Nachbarschaft abzubauen. Mit der Unterstützung unseres damaligen Stadtratsmitglieds Karl Heinrich und seines Stadtratskollegen Fritz Holl, Inhaber eines Landschaftsgärtnerei-Betriebes, wurden Pläne gezeichnet sowie in der Stadtverwaltung, bei Anliegern und anderen Bürgern Überzeugungsarbeit geleistet.

Im Sommer 1973 wurde mit Unterstützung durch das Tiefbauamt und das Gartenbauamt mit zahlreichen Helferinnen und Helfern – die zum Teil erst später in die SPD eingetreten sind – die Arbeit zur Gestaltung der Wasserwerkswiesen begonnen. In vielen Abendstunden und vor allem an Wochenenden wurde aus einem wilden Gestrüppgelände durch harte körperliche Arbeit ein Kinderspielplatz mit Holzgeräten, Sandgrube, Bolzplatz, Tischtennisplatte und großer Wiesenfreifläche geschaffen.

Dieser unentgeltliche Beitrag für die Bürgergemeinschaft hat wichtige Impulse für die politische Arbeit der Juso-AG und den SPD-Ortsverein gegeben. In den späteren Jahren wurden gelegentlich Pflegearbeiten von den nun älter gewordenen Genossinnen und Genossen organisiert. Manch schönes SPD-Sommerfest oder -Kinderfest fand in den vergangenen Jahrzehnten auf den Wasserwerkswiesen statt. Der Kinderspielplatz Wasserwerkswiesen ist so ein Teil der Geschichte des SPD-Ortsvereins Finthen geworden.

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1980/85: Bürger planen Finther Verkehr
1960 lebten rund 5.000 Einwohner in Finthen. 10 Jahre später waren es 6.500, und diese Zahl hatte sich weitere 10 Jahre später fast verdoppelt. Einwohner sind Verkehrsteilnehmer. Mit der Einwohnerzahl hat sich auch die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge erhöht. Das Straßennetz ist aber nicht mitgewachsen. Die Verkehrsbelastung wurde zum Problem für Finthen.

In dieser Situation regte die Finther SPD an, die Volkshochschule Mainz solle einen Arbeitskreis einrichten, in dem interessierte Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit Fachleuten Lösungsvorschläge erarbeiten könnten, um die Misere zu mildern und dem Verkehr zum Opfer gefallene Lebensqualität zurückzugewinnen. Der Leiter der Vhs spielte den Ball zurück. Der Arbeitskreis wurde genehmigt, aber die SPD sollte ihn selbst organisieren. So erhielt Ortsbeiratsmitglied Gerd Kallweit den Auftrag, einen Vhs-Kurs unter dem Titel „Bürger planen Finthen: Verkehr“ durchzuführen. Am 25. Januar 1980 fiel der Startschuss.

Als fünf Jahre später der Arbeitskreis zum zweiten Mal ins Leben gerufen wurde, konnte er bereits auf Erfolgen aufbauen. Inzwischen waren Teile des 1980 erarbeiteten Konzepts verwirklicht worden, denn der Ortsbeirat hatte dem Konzept weitgehend zugestimmt. Allerdings war die Entwicklung in diesen fünf Jahren nicht stehen geblieben, die Bevölkerungs- und die Verkehrsdichte hatten weiter zugenommen. Seine größte Auswirkung erzielte der Kurs diesmal noch bevor die erste richtige Arbeitssitzung stattgefunden hatte. Bereits in Vorgesprächen hatte sich abgezeichnet, dass die etwa 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Verkehrsberuhigungen plädieren würden. Auf einstimmigen Beschluss des Ortsbeirats führte daraufhin die Stadtverwaltung in den problematischsten Straßenzügen eine Verkehrsberuhigung durch. Die dazu zunächst benutzten Kanalringe wirkten zwar beruhigend auf den Verkehrsfluss, auf viele aufgebrachte Gemüter aber ganz und gar nicht.

Dass in Finthen später fast flächendeckend das Tempolimit von 30 km/h eingeführt wurde, geht auf den Vorschlag des Arbeitskreises zurück. Ein Autobahnanschluss an der Römerquelle war keine originäre Idee der Kursteilnehmer, aber sie haben diese Forderung unterstützt – auf die Verwirklichung warten wir heute noch.

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2001: Anbindung der Römerquelle
Hartnäckig hat die SPD immer wieder über den Ortsbeirat versucht, eine Anbindung der Römerquelle an den Ortskern mit einem Kleinbus zu erreichen. Die Stadtwerke haben das Ansinnen stets mit dem Hinweis abgelehnt, der Bedarf dafür sei nicht in ausreichendem Maß vorhanden, die Buslinie müsse zu hoch bezuschusst werden. Auch die Bedarfsermittlung mit einer durch den Ortsverein durchgeführten ausgefeilten Umfrage konnte die Verkehrsbetriebe nicht davon überzeugen, dass eine Bus-Anbindung angenommen würde.

Als die SPD Verhandlungen mit der Mainzer Taxi-Genossenschaft aufgenommen hatte, um möglicherweise eine Versorgung mit Sammel-Taxis oder einem Rufbus-System einrichten zu lassen, wurde die Buslinie 24 installiert. Ausschlaggebend dafür war der inzwischen zusätzlich entstandene Fahrbedarf der Layenhof-Bewohner. Etwa 200 Familien hatten die frei gewordenen US-Häuser bezogen und brauchten auch eine Verbindung zum Finther Ortskern. Bald zeigte sich aber, wie richtig die Stadtwerke mit ihrer anfänglichen Einschätzung des Bedarfs gelegen hatten. Der durch Fahrgelder erreichte Kostendeckungsgrad dieses Angebots lag gerade mal bei 18 %; jeweils 100 Mark Kosten standen also nur 18 Mark Einnahmen gegenüber.

Die Liberalisierung des Strommarktes tat ein Übriges: Die durch den neuen Konkurrenzdruck gefallenen Strompreise nahmen den Stadtwerken die Möglichkeit, die Defizite des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs durch Gewinne aus dem Stromverkauf zu decken. Mit dem Fahrplanwechsel im Mai 2000 wurde die Linie 24 eingestellt.

Damit hat sich die SPD nicht abgefunden. Wir entwickelten den Plan, einen Bürgerbus einzusetzen, der von einem zu diesem Zweck zu gründenden Verein getragen werden und von ehrenamtlichen Fahrern chauffiert werden sollte. Um dies den Bewohnern der Römerquelle schmackhaft zu machen, haben wir an vier Samstagen im Februar und März 2001 in Eigenregie und auf eigene Kosten einen Kleinbus-Verkehr betrieben. Es dauerte ein Jahr, bis dieser Funke zündete.

Das Wohngebiet Römerquelle war – dank der Initiative der damaligen Mainzer Sozialdezernentin Malu Dreyer – in das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ einbezogen. Das Entwicklungsprogramm für ausgesuchte Wohnbezirke forderte und förderte Beteiligung und Eigeninitiative der Bewohner. In diesem Sinne setzte sich der Quartiermanager Ala Bohn hartnäckig dafür ein, die Bürgerbus-Idee zu verwirklichen. Und er hatte Erfolg. Der Römerquellen-Beirat sorgte für die ehrenamtlichen Fahrer, das Wirtschaftsministerium für die Finanzierung, und so konnte das „Bussje“ 2002 starten.

Allerdings stellten die Fahrer von vorn herein klar, dass sie diesen Job nur bis zum Ende des Jahres ausüben würden. Danach wurden einzelne Fahrten der Linie 70 vor allem für den Schülerverkehr bis zur Römerquelle verlängert. Seit 2003 ist die Siedlung im Stundentakt (montags bis freitags) mit dem Ortskern verbunden, zunächst durch die Linie 55, dann 58.

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2005: Spielleitplanung
Im Jahr 2005 hat der Finther Ortsbeirat auf Antrag der SPD-Fraktion die Stadtverwaltung aufgefordert, eine Spielleitplanung für Finthen durchzuführen. Damit ist eine Leitplanung im Interesse von Spiel und Freizeitbeschäftigung der Kinder und Jugendlichen gemeint. An den dadurch zu erarbeitenden Vorgaben für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sollen sich Einzelplanungen orientieren. Dabei geht es um alles, was die Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen beeinflusst – beispielsweise auch um ihre Sicherheit im Straßenverkehr. Eine offizielle Spielleitplanung kann daher nur von der Kommune durchgeführt werden.

Ein zentraler Bestandteil der offiziellen Spielleitplanung ließ sich aber auch ohne die Stadtverwaltung anpacken, nämlich die Beteiligung von Mädchen und Jungen als Experten in eigener Angelegenheit. Zu diesem Zweck hat sich – ebenfalls auf Initiative der Finther SPD – eine „Arbeitsgruppe Spielleitplanung“ gegründet. Um herauszufinden, wie sich das Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen verbessern lässt, hat die Arbeitsgruppe mit einer Fragebogenaktion erkundet, wo Kids und Teens in Finthen Probleme und wo sie Verbesserungsmöglichkeiten sahen. Das Ergebnis: Die jungen Menschen beklagten sich kaum über einen Mangel an Spielmöglichkeiten, aber sie fühlten sich durch Autofahrer und Hundehalter stark beeinträchtigt. Hundehalter seien zu nachlässig bei der Entsorgung der von ihren vierbeinigen Gefährten hinterlassenen Häufchen. Und von Autofahrern wurde mehr Rücksichtnahme im Straßenverkehr erwartet. Nicht zuletzt machte den Kindern und Jugendlichen der ruhende Verkehr, sprich: das rücksichtslose Falschparken zu schaffen.

Darauf hat die Arbeitsgruppe mit einem öffentlichen Appell reagiert: Hundehalter und Autofahrer sollten die Sorgen der jungen Generation ernst nehmen. Hundehaufen zu beseitigen, sollte ohnehin selbstverständlich sein, und die Zahl falsch geparkter Autos ließe sich schon stark reduzieren, wenn alle vorhandenen Stellplätze und Garagen für ihren vorgesehenen Zweck genutzt würden.

In Finthen gab und gibt es kaum Möglichkeiten für strukturelle Veränderungen, etwa des Straßennetzes. Wohl ein Grund dafür, dass die Stadtverwaltung trotz der Vorarbeit durch die Arbeitsgruppe keine offizielle Spielleitplanung durchgeführt hat. Dennoch konnte die AG einen wichtigen Erfolg verbuchen. Der Spielplatz „Alter Friedhof“ wurde neu gestaltet und dadurch zu einer Attraktion für Kinder und Erwachsene. Die Stadt hat dafür das nötige Geld aus dem Topf „Kinderfreundliches Mainz“ bereitgestellt, und Mitarbeiter des Grünamts haben die Federführung übernommen. Die eigentliche Arbeit mussten sie aber nicht allein leisten; denn die Neugestaltung verlief nach den Vorgaben der Spielleitplanung: Bei der Planung durften Kinder und Jugendliche ihre Interessen vertreten, und an einer Bepflanzungsaktion haben sich außer Mitgliedern der Arbeitsgruppe auch Schülerinnen und Schüler der Peter-Härtling-Schule beteiligt.

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Ab 1974: Finther Gespräche, -Spargelessen, -Briefe
Am 14. August 1974 veranstaltete der SPD-Ortsverein Finthen im neu errichteten Bürgerhaus das 1. „Finther Gespräch“ zum Thema „Das kulturelle Angebot der Stadt Mainz“. Damit war eine für die Mainzer SPD, aber auch für alle anderen politischen Parteien in Mainz neue Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen.

Unsere Bemühungen richteten sich darauf, eine Veranstaltungsform zu finden, die das Interesse vieler Bürgerinnen und Bürger weckt, die sie zum politischen Diskurs mit Sozialdemokraten und politisch Andersdenkenden in verschiedenen Politikfeldern herausfordert. Freunde und Gegner unserer Partei, vor allem jedoch die Gleichgültigen und Uninteressierten sollten teilhaben an politischen Überlegungen und an unserer Meinungsbildung. Wir wollten uns nach draußen wenden. Die Bürger sollten sich unmittelbar mit ihren Ideen, Sorgen und Wünschen an die politisch Verantwortlichen wenden, und diese wiederum sollten die Chance haben, im direkten Gespräch ihre Planungen und Entscheidungen zu erläutern und zu begründen.

Das „Finther Gespräch“ sollte nie eine Parteiveranstaltung üblicher Art sein. Deshalb haben wir oft die Gesprächsleitung einem Journalisten übertragen, der sich im jeweiligen Sachgebiet auskannte. Der inzwischen legendäre Fernseh-Moderator Hans-Joachim Friedrichs war beispielsweise einer von ihnen. Vor allem aber haben wir immer auch Gesprächspartner eingeladen, die nicht im Verdacht standen, eine sozialdemokratische Meinung zu vertreten. Viele Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport und Medien sind unserer Einladung gefolgt. Dazu gehörten Ministerinnen und Minister, Bundestags-, Landtags- und Europa-Abgeordnete. An prominenten Namen gab es keinen Mangel. Und die Palette der Themen, die zur Diskussion standen, war sehr umfangreich.

Seit 41 Jahren läuft nun diese Veranstaltungsreihe. Das Interesse bei der Bevölkerung war aber nicht immer gleichbleibend groß. Nach vielen „erfolgreichen“ Jahren gingen die Besucherzahlen zurück. Deshalb haben wir die Veranstaltungsreihe ausgedünnt; die Abstände zwischen den Finther Gesprächen wurden größer. Bis 2003, also innerhalb von 30 Jahren, fanden 50 Podiumsdiskussionen statt; bis 2015 folgten noch sechs.

Das 56., das bisher letzte Gespräch, das sich mit dem Thema „Chancen und Risiken der Freihandelsabkommen TTIP und CETA“ beschäftigte, hat uns aber durch erfreulich starken Besuch in der Überzeugung bestätigt: Es lohnt sich, weiterzumachen. Und wir hoffen auf das Interesse an weiteren „Finther Gesprächen“.

Übrigens, wir haben als Veranstalter nie ein Honorar oder Spesen für einen der Teilnehmer zahlen müssen. Auch ein besonderes Merkmal dieser Gesprächsreihe.

Politische Gespräche haben wir auch mit gutem Essen verknüpft, und damit befinden wir uns in einer ähnlich langen Tradition. Seit 1989 laden wir einmal jährlich zum „Finther Spargelessen“ ein. Dabei geht es nicht um ein spezielles Thema. Finther Genossinnen und Genossen suchen das zwanglose Tischgespräch mit Gästen ohne SPD-Parteibuch. Außerdem hält jeweils ein besonderer Gast ein kurzes Einführungsreferat und stellt sich dann der Diskussion. Das begann 1989 mit Jockel Fuchs; 2015 übernahm Doris Ahnen diese Rolle. Für die Jahre dazwischen sind Namen zu nennen wie beispielsweise Heidemarie Wieczorek-Zeul, Miguel Vicente, Michael Hartmann oder Michael Ebling. Die Staatssekretäre Prof. Eckhart Pick und Erich Stather wussten diese Veranstaltung sowie den Finther Spargel ebenso zu schätzen wie die Landtagspräsidenten Christoph Grimm und Joachim Mertes.

Damit die Gäste nicht zu stark zur Kasse gebeten werden, kauft der SPD- Ortsverein den Spargel ein. Flinke, fleißige Damenhände schälen ihn, und dann wird er dem jeweiligen Wirt zur Verfügung gestellt. Von der Gaststätte „Zum Turnerheim“ über das Bürgerhaus bis zum „Babbelnit“ haben wir dieses Vorgehen beibehalten.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Es gibt aber noch etwas dazwischen: Man kann sich auch schriftlich äußern. Diesen Weg beschreitet die Finther SPD ebenfalls schon lange. Zu den „Finther Gesprächen“ und den „Finther Spargelessen“ gesellen sich die „Finther Briefe“.

Manchmal, aber längst nicht immer haben die etwas mit Wahlkampf zu tun. Natürlich benutzen wir dieses Medium, um unsere Kandidaten für die unterschiedlichen Wahlen vorzustellen. Darüber hinaus behandeln wir jedoch – in gebotener Kürze – immer wieder Themen im Sinne des Grundgesetz-Auftrags „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“ (Artikel 21). So war schon der 1988 erschienene erste „Finther Brief“ sicher nicht geeignet, Sympathien einzusammeln, denn wir prangerten darin das Parken auf Bürgersteigen an.

Technisch haben wir ganz klein angefangen. Die ersten „Finther Briefe“ bestanden aus einem DIN A 4-Blatt, das einmal gefaltet wurde, so dass 4 DINA 5-Seiten daraus entstanden. Die Bilder zeigten noch keine Farbe, und das ganze Produkt unterschied sich kaum von einer Fotokopie. Mehr Aufwand konnten wir nicht finanzieren. Inzwischen wird das Layout von Profis gestaltet, die Briefe werden farbig gedruckt und haben einen Umfang von 4 DIN A 4-Seiten. Das funktioniert, weil alle Mainzer SPD-Ortsvereine Blätter mit dem gleichen Layout herausgeben und weil der SPD-Unterbezirk Mainz die beiden Innenseiten mit eigenem Text füllt und dafür die anteiligen Kosten trägt.

Alle bisher erschienenen „Finther Briefe“ stehen in digitaler Form auf der Homepage www.spd-finthen.de zur Verfügung.

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– 1989 bis 1994: Ortsvorsteher Kurt Merkator

Die Zeit als Ortsvorsteher in Finthen von 1989 bis 1994 war eine schöne Zeit.  In dieser Amtszeit habe ich mit der Finther SPD hautnah erlebt, wie wichtig es ist, Politik direkt vor Ort, direkt bei den Menschen zu gestalten. Nachdem die SPD aus der Kommunalwahl 1989 überraschend als stärkste Fraktion hervorging, wurde ich mit der Stimme der Grünen, die damals durch Helmut Hafemann im Ortsbeirat vertreten waren, zum Ortsvorsteher gewählt. Ich habe mit meinen Fraktionskollegen und mit der örtlichen Partei gelernt, welche entscheidende Rolle die Vereine, die Bürger und die örtlichen Institutionen im örtlichen Leben haben. Es war eine interessante Amtszeit. 1991 zogen die Amerikaner vom hiesigen Airfield ab, die Wohnungen am Layenhof wurden bezogen, große Pläne wurden in der Stadt für dieses Gelände geschmiedet, die bis heute nicht umgesetzt sind. Neben diesem wichtigen Anfang mit bisher ungelöstem Ausgang sehe ich  die Umsetzung des örtlichen Gewerbegebietes F 69 und die flächendeckende Einführung von Tempo 30 als Höhepunkte meiner Amtszeit.

Ich darf mich auf diesem Wege noch einmal bei allen den Bürgerinnen und Bürgern Finthens, den Kolleginnen und Kollegen des Ortsbeirates, der Partei  und den Vereinsvertretern bedanken, die mich in dieser Zeit mit Rat und Tat unterstützt haben. Die Amtszeit hat mir auch gezeigt, wie schwer es vor Ort ist, eigene Ideen umzusetzen, solange der Ortsbeirat ein reines Beratungsgremium ohne echte Entscheidungskompetenz ist. In Zukunft müssen durch Änderungen der Gemeindeordnung wieder Kompetenzen zu den Ortsbeiräten hin verlagert werden. Eine Forderung, die parteiübergreifend sein dürfte, und ich bin froh, dass in unserer Stadt erste Ansätze in diese Richtung zu erkennen sind.

Kurt Merkator

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